Königreich des Glücks
Das Streben nach Glück ist so alt wie die Menschheit – sagt man. Im Königreich Bhutan wurde „erst“ vor 30 Jahren festgelegt, dass nicht Wirtschaftswachstum das Entwicklungsziel des Landes sein soll, sondern das „Bruttonationalglück“. Diesen Begriff prägte der damals regierende bhutanische König Jigme Singye Wangchuck Anfang der 1970er-Jahre. Der jetzige „fünfte Drachenkönig“ Jigme Khesar Namgyel Wangchuck hat die Prämissen seines Vaters weitgehend übernommen und möchte sein Volk in eine Zukunft führen, die das Land zwar modernisiert, dabei jedoch an den Werten und Traditionen festhält. Gibt es wirklich diesen „Glücksfall“ in unserer Welt des Wirtschaftswachstums und der Konsumsucht? Wir wollten es wissen ...
Der erste Glücksfall – Two men at the AMAN
Nachdem wir unsere Visa für die zehntägige Rundreise im hoch offiziellen Schreiben des Königreichs Bhutan erhalten haben geht es los. Drukair ist die einzige Fluglinie, die Bhutan von Delhi oder Bangkok aus anfliegt. Für uns ist die Anreise über Delhi natürlich „näher“ und für mich als beken- nenden Indien-Fan ist es auch zwangsläufig, dass wir über Indiens Hauptstadt die königliche Himalaya Region anpeilen.
Dabei nutzen wir die Gelegenheit, die erforderliche Nacht im neuen Aman New Delhi zu verbringen. Bevor wir unseren ersten „Glücksfall“ erleben, genieße ich während des ganzen Wegs vom neuen Flughafen bis zum Hotel einen 45 Minuten lang Kopf schüttelnden Tiroler, der zum ersten Mal in das indische Leben eintaucht. Selbst er, als mittlerweile hochversierter Hobby- Fotograf, ist von diesem Kaleidoskop an einzigartigen Motiven hoffnungslos überfordert, weshalb Ronny bei unserer Ankunft im Hotel diesen klassischen und doch hoch modernen Palast gar nicht wahrnimmt, da er immer noch verzweifelt versucht, mit seiner Kamera gelungene Schnappschüsse zu machen.
Diese gelingen ihm aber jetzt im Aman, denn hier herrscht diese einmalige Ruhe, wie man sie sonst vielleicht vom Tauchen kennt und eine Aura geprägt von Millionen oranger Blüten in unzähligen Mustern, Schalen und Vasen dekoriert. Damit sich unser bodenständiger Tiroler endlich zu Begeisterungsstürmen hinreißen lässt, bedarf es schon eines Außenpools von beachtlicher Größe im – wohlgemerkt – dritten Stockwerk. Also ist unser Plan schnell gefasst: Pool, Massage, zweites Frühstück und danach direkt nach Old Delhi – Ronny und seine Kamera wollen es wissen (und ich natürlich auch).
Glück gehabt – Have a nice flight
Ich hasse es, zu spät am Flughafen anzukommen, mit den Koffern zu rennen und um den Flug zu bangen. Besonders wenn es um große Reisen geht. Eigentlich hatten wir einen vorbildlichen „Schedule“ und auch die zuvorkommende Aman-Crew hatte uns dezidiert auf die genaue Abfahrtszeit hingewiesen. Aber ein grandioses indisches Abendessen, ein vollmundiger Rotwein, eine gut bestückte Minibar in einer einzigartigen Suite und dann dieses wundervolle Bett... wir haben verschlafen! Panik! Abfahrt 11.15 Uhr – es ist 11.14 Uhr. Wir packen, wir rennen, wir springen in unsere Aman-Limousine und bangen um freie Fahrt im Verkehr von Delhi – diese Situation wünsche ich niemandem. Unser Fahrer zieht alle Register indischer Fahrkunst und kommt tatsächlich 33 Minuten vor Abflug an.
Wir finden im Flughafenchaos den Drukair Schalter, denken es ist geschafft, dann folgt die nächste Hiobsbotschaft: Übergepäck! Kein Problem, ich zücke meine Kreditkarte. Doch ein Problem: „I’m sorry, Mr. Linhard, we do not accept credit cards!“ Ich krame nach meinen Dollars und Euros. „I’m sorry, but we do not accept dollars or euros either, only rupees“. Ich renne zum nächsten „Geldwechsler“ – dem einzigen im Flughafen – der von einer riesigen Menschentraube umringt fast nicht zu sehen ist. Also versuche ich einem der bunten Geldautomaten indische Rupien zu entlocken. Beim dritten klappt es endlich und ich halte die ersehnte Währung in der Hand. Die nette Drukair Dame am Check-in händigt mir mit einem entzückenden Lächeln nun endlich unsere Tickets aus: „Mr. Linhard, have a nice flight to Bhutan“. Und so sitzen wir nun im „Drachenflieger“ wo sich keine Stunde später auf der linken Seite unter uns ein fantastisches, einmaliges Naturspektakel bietet: Wir haben freie Sicht auf die großen Achttausender des endlosen Himalaya Gebirges. Glück gehabt!
Glücksritter – Sonam & Gimbo
Am Airport von Bhutan in Paro erwartet uns bereits eine freundliche Dame von Bhutan Tourismus und erledigt, während wir eine Tasse Tee genießen, alle Formalitäten für uns. Dann übergibt sie uns für die nächsten zehn Tage an unseren Guide: Sonam.
Vor uns steht ein dünner, drahtiger und stolzer Bhutaner in orange-schwarzer Nationalkleidung, dessen Markenzeichen ein umwerfendes Lächeln ist: verschmitzt, ehrlich und ansteckend. Was wir zu dieser Zeit noch nicht wissen: Wir werden ihn lieben! Wie sein Schatten an seiner Seite ist Gimbo, unser Fahrer, der eher ruhig, immer hellwach und extrem konzentriert wirkt. Beste Voraussetzungen als Fahrer. Wir haben irgendwie sofort ein gutes Gefühl mit unseren „Glücksrittern“ und machen uns auch gleich auf den Weg nach Thimphu, der Hauptstadt von Bhutan. Die Stunde Auto- fahrt ist gespickt mit Geschichten, Späßen und Anekdoten von Sonam und auf dem Weg besichtigen wir auch gleich den königlichen botanischen Garten, bevor wir kurz vor Sonnenuntergang im Taj Tashi Hotel einchecken.
Das Taj Tashi mit seiner traditionellen alt-bhutanischen Dzong-Architektur ist der perfekte Ausgangspunkt um Thimphu zu erkunden. Uns gefallen die geräumigen verführerischen Zimmer die mit modernem Design, handgemalten buddhistischen Decken- und Wandgemälden sowie bhuta- nischer Handwerkskunst ausgestattet sind, sowie die schöne Gartenanlage, in der sich auch eine wundervolle Gebetsmühle befindet. Bei einer spontanen klassischen Tanzvorführung am Lagerfeuer genehmigen wir uns den ersten Aperitif, bevor wir uns in einem der beiden Taj Restaurants verwöhnen lassen. Wir freuen uns schon auf Sonam – morgen 9.00 Uhr.
Traum vom Glück – Hauptstadt Thimphu
Thimphu dürfte die einzige Metropole der Welt sein, in der es keine Ampeln gibt. Und das führt auch schon zum eigentlichen „Wahrzeichen“ der Stadt: Der Polizist, der an Thimphus lebhaf- tester Kreuzung unter dem Dach eines kleinen Häuschens den Verkehr regelt, ist ein Künstler. Seine Handbewegungen mit den weißen Handschuhen sind präzise einstudiert und erinnern in ihrer Eleganz eher an Ballett als an ein Verkehrschaos. Dabei signalisiert er den Autofahrern mit stechendem Blick, ob sie halten müssen oder freie Fahrt haben. Er ist wahrscheinlich der meistfotografierte Bhutaner und seine ästhetischen Bewegungen dürften millionenfach auf Film, Video oder anderen Speichermedien verewigt sein.
Der Traum vom Glück in der Stadt ist unter Bhutans Bevölkerung ungebrochen und so gehört Thimphu als eine der kleinsten Hauptstädte der Welt gleichzeitig zu einer der am schnellsten wachsenden. Mittlerweile leben fast hunderttausend der 640.000 Einwohner Bhutans in Thimphu. Man versucht durch vernünftige und vorausschauende Planung die Probleme anderer Großstädte zu vermeiden. Somit findet man in Thimphu keine Slums, statt- dessen jedoch ein mit dänischer Hilfe errichtetes Kanalnetz samt vollbiologischer Kläranlage, gute Strom- und Telefonversorgung, Kabel-TV, ein bescheidenes aber verlässliches Netz öffentlicher Autobusse sowie eine funktionierende Müllabfuhr und eine zukunftsorientierte Verkehrsplanung. Gleichzeitig versucht man in diesem doch organisierten und modernen Stadtbild den Abstand zu westlichen Kulturen mit strikt traditioneller Architektur und Kleidung zu wahren.
Als Kleidung tragen die bhutanischen Männer einen Gho, ein langes Gewand, das an der Taille mit einem schmalen Gürtel, Kera genannt, zusammengehalten wird. Fertig angezogen gleicht ein Gho einem fast knielangen Bademantel. Das knöchellange Kleid der Frauen heißt Kira und wird aus wunderschön bunten und fein gewebten Stoffen nach traditionellen Mustern hergestellt. Schmuck wird aus Korallen, Perlen, Türkisen und wertvollen Achaten gemacht, die Bhutaner „Tränen der Götter“ nennen. Als uns Sonam erzählt, dass die öffentlichen Bediensteten Bhutans ihre Arbeitszeiten sehr genau nehmen und selten Überstunden machen, horche ich auf und hinterfrage das genau. „Es macht keinen guten Eindruck, wenn in deinem Zimmer nach Dienstschluss noch Licht brennt. Bei uns meint man, wer seine Arbeit nicht in der offiziellen Dienstzeit erledigen kann, ist schlecht organisiert oder hat was zu verbergen.“ Als mir Sonam dann noch auf die Frage, wie viele Feiertage es in Bhutan gibt antwortet: „Vierundzwanzig nationale Feiertage und dazu kommen noch ad hoc-Ankündigungen, die sich in Windeseile herumsprechen“, bin ich fest überzeugt, dass der Abstand zur westlichen Welt hier in der Tat beträchtlich ist. Mein Favorit unter den spontanen Feiertagen ist, nebenbei be- merkt, eindeutig der „Happy Snow Day“, ein Tribut an den ersten Schneefall im Jahr! Die Liste der Sehenswürdigkeiten in Thimphu besteht aus: Bhutanische Nationalbibliothek, Volkskunde-Museum, nationales Textilmuseum, eine Werkstatt für Papierherstellung und Webekunst, das Nationale Institut für Zorig Chusum (Malschule), die königliche Tanz- und Musikschule und natürlich der Tashichho Dzong, der im Jahre 1641 erbaut wurde.
Etwas außerhalb der Stadt beginnt das „Last Shangri-La“, wie sich Bhutan auch gerne bezeichnet. Das „Letzte Paradies“ ist ein Land mit gewaltigen Festungen, erhabenen Gipfeln, kaskadierenden Wasserfällen, in der Sonne glitzernden Flüssen und einer Geschichte, die bis auf den Ursprung des Buddhismus zurückgeht. Die Menschen sind sehr spirituell veranlagt und ihr erfrischendes und heiteres Gemüt wirkt ansteckend. Sie leben in Einklang mit der Natur und haben sich ihre einzigartige Identität bewahrt, die von ihrem religiösen und kulturellen Erbe herrührt.
Bereits am ersten Tag erfahren wir, dass es nichts Schöneres gibt, als mit unserem wandelnden Lexikon Sonam zu einem der heiligen Dzongs, wie die berühmten Klosterburgen genannt werden, zu wandern. Nicht weit außerhalb von Thimphu parkt Gimbo den Toyota und wir beginnen mit Sonam den Aufstieg in das Tango Kloster. Nach den ersten Metern wird uns bewusst: Wir befinden uns bereits auf 2.500 Metern Höhe und Sauerstoff ist hier Mangelware. Nur Sonam scheint zu wissen wo es diesen gibt und steigt mit seinen Waden – die an Besenstiele erinnern – auf, wie Reinhold Messner in seinen besten Tagen. Ich komme mir um Jahre gealtert vor und das wird sich auch nur langsam bessern... Sonam weiß auch, was Feingefühl ist und erzählt beim Aufstieg ohne Unterlass und ohne dass wir Fragen stellen müssen, denn dafür finden wir einfach nicht genügend Sauerstoff! Nach zwei Stunden Aufstieg erreichen wir den Dzong. Dabei ließ uns jedoch jeder Schritt, Blick und Satz von Sonam alle Anstrengung vergessen. Tango bedeutet „Pferdekopf“ – über diesem Dzong liegt ein Fels der etwa wie ein Pferdekopf geformt ist. Im Dzong lebt der inzwischen elfjährige Gyaltse Tenzin Ragbye, der unter Buddhisten als Reinkarnation des Lama gilt. Das Tango Kloster ist die wichtigste Buddhisten-Schule Bhutans. Wir trinken hier mit den Mönchen Tee in ihrem „Zimmer“ und wundern uns, wie aufgeschlossen buddhistische Mönche sind.
Das Glück im Blick – GANGTEY
Nach Thimphu geht es über den hohen Dochula Pass (3.050 m) nach Gangtey. Auf dem höchsten Punkt des Passes befinden sich 108 kleine Chorten, von denen man an einem klaren Tag einen atemberaubenden Blick zu den höchsten schneebedeckten Gip- feln des östlichen Himalajas hat. Nach kurzer Fahrt ist uns klar: Es gibt kein flaches und kein gerades Stück Straße! Wir fahren nur Kurven bergauf oder bergab und die steuert Gimbo in stoischer Ruhe wie eine Maschine an. Leider haben wir am Pass oben nicht das „Glück“ der klaren Sicht, dafür öffnen sich die Wolken und lassen die Sonne durchscheinen, als wir durch dichte Wälder von Eichen und Rhododendren fahren und schließlich das Dorf Gangtey erreichen. Hier befindet sich das einzige Nyingmapa Kloster, geführt und renoviert von der neunten Reinkarnation Gangtey Tulku Rinpoche. Die Nyingmapa-Schule repräsentiert eine der grundlegenden Interpretationen des bhutanischen Buddhismus. Am Nachmittag begeben wir uns auf eine weitere Trekkingtour durch das weitläufige Phobjika Tal (unterhalb Gangteys gelegen), um die äußerst seltenen Schwarzhalskraniche (nur in den Wintermonaten) zu sehen, von denen es weltweit nur noch ca. 1.600 Exemplare gibt. Die Schönheit dieser Vögel spielt in etlichen Mythen und Legenden eine große Rolle. Auf unserem Fußmarsch wird uns klar, warum dieses Tal als eine der schönsten Regionen Bhutans gilt.
Die ganze Schönheit dieser einmaligen Natur breitet sich vor dem einsam auf 3.000 m Höhe liegenden Amankora Gangtey aus. Als bekennender Aman-Fan verspüre ich natürlich immer eine besondere Vorfreude, wenn ich wieder eines dieser ideenreichen Resorts ansteuere. Hier treffen wir auf die perfekte Interpretation eines modernen luxuriösen Ökohotels „in the middle of nowhere“ dieser Himalaya Region. Der Stil dieser mit acht Suiten angenehm kleinen Lodge ist treffsicher und vorbildlich: Nichts ist übertrieben, alles fokussiert auf das Wesentliche – die Natur. In dem idyllischen Restaurant sitzen wir leger an großen Holztischen und werden mit bhutanischer, indischer und europäischer vitaler Küche verwöhnt während wir durch die großen Panoramafenster die endlose Weite von Gangtey bestaunen – Immer wieder.
Glücksgötter – BUMTHANG
Weiter führt unsere Reise über den ca. 3.150 m hohen Pele La-Pass nach Trongsa. Hier befindet sich mit dem Trongsa Dzong der größte Dzong Bhutans, der im Jahre 1647 erbaut wurde und 22 Tempel umfasst. Nach diesem Zwischenstopp geht es dann weiter über den Yutong La und Kiki La Pass zu den legendären Tälern von Bumthang. Wir erreichen gerade noch vor Sonnenuntergang unser zweites Amankora und lassen uns nach langer Fahrt nur noch verwöhnen, bevor wir den nächsten Tag ganz diesem bezaubernden Tal widmen, das auch als „kulturelles Herz“ Bhutans bezeichnet wird.
Sonam hat hier ganze Arbeit zu leisten, denn Dzongs und Tempel befinden sich gewissermaßen an jeder Ecke: Einer der bedeutendsten Dzongs in dieser Region ist der Jakar Dzong, der auch „Dzong des weißen Vogels“ genannt wird und die Distriktverwaltung beherbergt. Der Kurjey Lhakhang ist einer der heiligsten Orte Bhutans, da der Guru Rinpoche hier meditierte. Der Jamba Lhakhang Tempel ist einer der ältesten Tempel im König- reich, der Konchogsum Tempel ist berühmt ist für seine Glocke, und auch der Tamshing Lhakhang ist ein weiterer Höhepunkt Bumthangs. Ein kurzer Fußmarsch zu einer der wichtigsten Pilgerstätten Bhutans Mebar Tsho, oder dem „brennenden See“ dürfen am Ende nicht fehlen. Denn dies ist der Legende nach jener Ort, an dem man die von Guru Rinpoche versteckten Schätze fand und an dem das „wahre Shan- gri-La“ zu finden sei.
Wir hatten uns gedanklich schon wieder auf unser Amankora eingestellt, da kommt Sonam mit einem weiteren Vorschlag. Wir sollen noch ein klei- nes Dorf im Tal besuchen und trotz aufkommender Müdigkeit können wir ihm nicht widersprechen – Gott sei Dank. Das Dorf besteht aus vier Häuschen und erscheint wie leer gefegt. Sonam steuert jedoch schnurstracks auf eines der Häuser zu und schiebt uns förmlich eine kleine steile Holztreppe hoch in den „ersten“ Stock. Der Raum wird hell von Sonnenstrahlen erleuchtet, die den vier am Boden sitzenden Mönchen einen wahren Heiligenschein verleihen. Wir befinden uns mitten in einer heiligen Zeremonie, die, im Gegensatz zu denen in Tempeln, Besucher erlaubt. Zudem werden wir von den Hausbesitzern mit Gastfreundschaft förmlich überschüttet: Essen und Trinken wird uns gewissermaßen im Sekundentakt überreicht und uns wird eine Herzlichkeit zuteil, die uns beinahe beschämt. Ich komme kaum dazu Sonam zu fragen, welcher Zeremonie wir beiwohnen, erfahre es letztlich aber doch.
Es ist die jährliche Zeremonie der Bauern zur Segnung ihrer Häuser mit Gaben für Gottheiten, Dämonen und Geister. Die Mönche lesen ihre Mantras unter gewaltigem Getöse ihrer markanten Trommeln und tief dröhnenden Posaunen, bevor es am Ende zur Gabe der Lebensmittel auf das Dach geht. Dazu folge ich den Männern mit meiner Kamera. Ich schaffe es gerade noch, mich durch die kleine Öffnung zu zwängen, während dieser Weg für Ronny mit seinen zwei Metern Körpergröße verschlossen bleibt und er zusammen mit den Frauen – denen ist es nicht erlaubt, der Zeremonie beizuwohnen – zurück bleibt. Es ist ein abenteuerlicher Ausflug, dessen beeindruckende Atmosphäre und einzigartige Bilder mein Herz schneller schlagen lassen, auch weil ich bei jedem Schritt bete, das Dach unter meinen Füßen möge mich tragen! Am Ende der Zeremonie sind alle Männer ausgelassen fröhlich und trinken den selbstgebrannten (eigentlich aus der Gabenmasse stammen- den) Schnaps, während sie sich mit Mehl bewerfen. Das Dach habe ich überlebt, den Schnaps beinahe nicht.
Zum Glück ein anderes Dzong! – PUNAKHA
Nun geht es aus dem Osten wieder zurück über den Pele La-Pass Richtung Westen in die Stadt Punakha. Und welch ein Glück, es erwartet uns wieder ein großer Dzong. Der Punakha-Dzong und eine Amankora Lodge! Der Punakha-Dzong wurde 1637 durch Ngawang Namgyal als Festung gegen die einfallenden Tibeter erbaut. Der Dzong brannte 1987 teilweise ab, wurde jedoch schnell wieder komplett aufgebaut und gilt als Schmuckstück der Klosterarchitektur Bhutans. Unter all den Dzongs, die wir inzwischen bereits besichtigt haben ist dieser einer der beeindruckendsten. Im Vergleich zu den anderen Dzongs liegt der Punakha-Dzong nicht auf einer Hügelkuppe oder Anhöhe, sondern in einem Tal, am Zusammenfluss der beiden Flüsse Mo Chhu und Po Chhu. Und wenn man durch die Höfe und Gebäude läuft, merkt man auch irgendwie die außerordentliche Bedeutung des Punakha-Dzongs: Es ist die Winterresidenz Seiner Heiligkeit, des Je Kempo, des obersten Kirchenfürsten Bhutans mit über 500 Mönchen. Alle Könige Bhutans wurden hier gekrönt.
Und ein wenig anders ist es auch in der Amankora Lodge in Punakha. Wir parken direkt am Mo Chhu (Chhu bedeutet Fluss). Hier holen uns kräftige Jungs ab, die leichtfüßig mit unserem Gepäck auf den Schultern über eine kleine, mit tausenden von „Prayer Flags“ geschmückte Hängebrücke eilen. Auf der anderen Seite geht es mit dem Buggy zur Lodge. Wir befinden uns ausnahmsweise auf einer Höhe von nur ca. 1.300 m und deshalb im subtropischen Klima und so fahren wir durch eine saftig grüne Pflanzenwelt bis zur Lodge. Diese wurde um das ehemalige Farmhouse der könig-
lichen Mutter gebaut und bietet einen herrlichen Blick auf die nahen Reisfelder. Die Temperaturen sind einige Grad wärmer und so genießen wir gleich unseren Aperitif am Feuer im Hof des ehemaligen königlichen Sommerpalastes, bevor wir später in der „heiligen“ Halle königlich Speisen. Hier ist eben alles etwas anders.
Mein Glück – PARO
Ich weiß nicht warum Paro am Ende unseres Reiseverlaufs steht. Es ist als hätte Sonam geahnt, dass wir es als Bhutans absolutes Highlight empfinden würden und als hätte er noch dazu gewusst, dass dieses erst dann im schönsten Sonnenlicht erstrahlen würde. In einer derartigen Kli- mazone auf Höhen von durchschnittlich 2.500 – 3.500 Metern ist wolkenloser Himmel fast wie ein Sechser im Lotto und genau dieses Glück haben wir, als wir zum Marsch ins Taktsang Kloster, auch als Tiger’s Nest bekannt, aufbrechen. Superlative in Reiseberichten erschöpfen sich schnell und verlieren ihre Wirkung, weshalb ich es bei dem Hinweis belasse, dass keine Bildbeschreibung wirklich vermitteln kann, was einen nach zwei Stunden Aufstieg erwartet. Die Legende besagt, dass Guru Rinpoche, der Begründer des bhutanischen Buddhismus auf dem Rücken eines Tigers genau auf diesem steil abfallenden Felsen landete und dort in einer Höhle meditierte. Genau an dieser Stelle wurde dann dieses eindrucksvolle Kloster errichtet das eines der Wahrzeichen Bhutans darstellt und zugleich eines der bekanntesten Klöster des gesamten Himalayas ist. Es ist sicher mit das Fantastischste was ich auf all meinen Reisen bisher gesehen habe – soviel zu Superlativen... Dieser märchenhafte Komplex beeindruckt nicht mit „größer, länger oder breiter“ sondern mit seiner spirituellen und mystischen Ausstrahlung auf einem unwirklich anmutenden Felsen und könnte zweifelsohne aus einem Fantasyspielfilm wie Herr der Ringe stammen. Wir Gefährten (Sonam, Ronny & ich) haben jede Sekunde dieses Tages und jeden Blick auf das Tiger’s Nest genossen. Für immer bleiben wird ein „To die for“-Erlebnis, zu dem es auch deshalb wurde, da uns insgesamt vielleicht zehn Touristen an der Zahl begegnet sind. Der Grund hierfür ist die Tourismusstrategie „high value, low volume“ dieses winzigen Königreichs im Himalaya: Die Anzahl der Touristen, die pro Jahr das Land besuchen dürfen ist auf wenige Tausend beschränkt.
Selbstverständlich haben wir auch alle anderen Sehenswürdigkeiten von Paro brav absolviert, wie den Paro Rimpong-Dzong der über dem Tal von Paro liegt und in dem der Hollywood-Film „Little Buddha“ von Bernardo Bertolucci gedreht wurde oder den Ta Dzong, der ursprünglich als Wach- turm für den Paro Rimpong-Dzong errichtet wurde und vieles mehr. Unser „Dzong“ am Abend heißt Uma Paro. Die Lodge als Hauptgebäude und neun darum herum liegende Villen sind auf gut 15 Hektar bewaldeten Hängen gebaut, mit überwältigenden Ausblicken auf die Berge und Täler Paros. Trotz der modernen Architektur sehen die klaren Linien der von Zen inspirierten Einrichtung richtig heimisch aus. Dennoch ist es kein „Dzong“ und verfügt über alle angenehmen Luxus-Ausstattungen, wie auch den berühmten Shambhala Spa.
Glückspilze – The End
Es ist der Morgen des Abschieds. Und das nicht nur von einem weiteren Urlaub, nein vielmehr von zwei Freunden. Es sind die einzigen wehmütigen Stunden. Wir haben zehn Tage miteinander verbracht, die einmalig waren, bestimmt von Freundschaft, gegenseitigem Respekt und Spaß. Wir haben oft in einfachen bhutanischen Restaurants zusammen gegessen, diskutiert oder gelacht. Wir haben Stunden gemeinsam im Auto gesessen und uns nie gelangweilt (auch wenn Ronny viel geschlafen hat). Wir haben alle Dzongs von Bhutan besichtigt (na gut, fast alle) und wir haben viel voneinander gelernt. Auch wenn letzteres eher einseitig war und wir viel von Sonam gelernt haben, aber ehrlich gesagt er bestimmt weniger von uns. Was können wir auch jemandem beibringen, der im „Königreich des Glücks wohnt“? Wir waren zumindest mit Sonam und Gimbo für eine kurze Zeit richtige „Glückspilze“! Thank you Sonam, thank you Gimbo. We’ll never forget! Take care!