Ins Watt mit Mandy Thieme

Ins Watt mit Mandy Thieme

Ins Watt mit Mandy Thieme

 

Barfuß und mit einer Mistgabel bewaffnet stapftMandy Thieme beherzt durchs Watt beim kleinen Morsumer Badestrand. Die Mistgabel wird gute Dienste leisten, um einem Halt zu verschaffen beim Gang durch den schmatzenden Schlick, in den man manchmal knöcheltief versinkt. Aber deshalb hat die junge Wattführerin die Mistgabel nicht mitgebracht. Sie dient dazu Wattwürmer auszugraben, an denen sie die fein abgestimmten Vorgänge im Ökosystem des norddeutschen Watt veranschaulichen kann. Mandy Thieme arbeitet den zweiten Sommer als Hilfswissenschaftlerin bei der Schutzstation Wattenmeer. Die 28jährige ist studierte Dolmetscherin, wollte schon immer ans Meer und für sich rausbekommen: „Wer bin ich abseits der Uni?“ Von April bis Oktober ist ein rot gestrichener Bauwagen hinterm Deich ihr kleines anheimelndes Zuhause. Das teilt sie mit ihrer Katze und vielen Büchern. Tagsüber ist sie mit hilfswissenschaftlichen Arbeiten beschäftigt, mit Vogelzählungen von Kiebitzen, Austernfischern, Uferschnepfen, Rotschenkeln sowie mit Brutvogelkartierungen. Aber auch mit Watt- und Vogelführungen für Interessierte im Rahmen einer pädagogischen Umweltbildung, denn „nur was man kennt, kann man schützen“, ist sie sich sicher. Wir nähern uns dem offenen Wasser mit den Miesmuschelbänken. Miesmuscheln fungieren als Wasserfilter, sie bilden Eiweißfäden aus, binden damit alles um eine Pufferzone herum fest, sich selbst, wie auch benachbarte Muscheln, berichtet Mandy Thieme. „Je größer die Vernetzungen sind, je weniger leicht können sie von den Wellen hin und her gespült werden.“ Mandy fordert mich auf, ganz ruhig zu werden. Das Wattknistern ist zu hören, es klingt, als ob kleine Bläschen platzten. Wer vom Deich übers Watt schaut, sieht eine weite sich kräuselnde Schlickoder Sandfläche. Scheinbar ruhig und leer. In Wirklichkeit tobt hier das Leben. Auf einem Quadratmeter Boden tummeln sich 10.000 Lebewesen. Winzlinge wie die Stecknadelkopf kleine schwarze Wattschnecke, die Mandy auf den Finger nimmt. Die Mini-Schnecke ist so leicht, dass sie sich an der Wasseroberfläche anheften kann und mit der Welle surft. Als Surferschnecke erreicht der Winzling eine Geschwindigkeit von bis zu fünf Kilometern pro Stunde. Sobald das Watt trocken fällt, nimmt sie ein Tröpfchen Wasser mit in ihr Haus, verschließt den Eingang mit einem Kalkpfröpfchen. Bis zu vier Wochen kann die Wattschnecke so Trockenheit überstehen. Das Watt ist übers.t mit zahllosen Häufchen, dem Auswurf der Wattwürmer, die sich unermüdlich durch den Sand fressen, ihn an der Oberfläche auswerfen und so das Watt mit Sauerstoff versorgen. Die Mistgabel kommt zum Einsatz. Gleich beim ersten Versuch kräuselt sich ein Wurm im Sandhaufen. Die Wattführerin nimmt ihn auf die Hand. In seinem transparenten Innern lässt sich der verspeiste Sand erkennen. Das zu sehen, sei ihr noch nie gelungen, freut sie sich. Mandy Thieme liebt die Abende in ihrem Bauwagen. Einsam sei es nicht. „Wenn ich abends vor die Tür trete, ist es unfassbar überw.ltigend“, erzählt sie. „Ich höre das Geschnatter der Wildgänse, die schrillen Schreie der Austernfischer, das Blöken der Deichlämmer, die Schwünge der Schwäne, die meinen Bauwagen überfliegen.“  

 

www.schutzstationwattenmeer.de