Guernsey

 

Nach Guernsey ist es mit dem Flieger nur ein kleiner Hüpfer. Kaum ist der Steigflug geschafft, geht es schon in den Landeanflug. Stimmungsvoller ist das Ankommen mit der Fähre. Im Hafen wird man vom mächtigen Castle Cornet begrüßt, einer ständig erweiterten Festung, die Guernsey vor Eroberungen bewahrt hat. Wenn die Jerseyaner ihre Insel-Nachbarn um eine Sache beneiden, dann ist es garantiert ihre Hauptstadt St. Peter Port. Die Gebäude ziehen sich vom Hafen den Hang hoch. Schmale Kopfsteingassen winden sich, steile Treppenwege verbinden die unterschiedlichen Ebenen. Über allem thront das Elizabeth College. Beim Window-Shopping in hübschen Geschäften eröffnet sich immer wieder der Blick aufs Meer und den Hafen. Im Zentrum das Old Government House, ein Fünf-Sterne-Hotel, dem die Britshness aus jeder Mauer flüstert. Obwohl ständig renoviert, ist es ein bisschen plüschig, hat es sich den Old School Glamour bewahrt. In den Restaurants und an der Bar trifft sich, wer auf der Insel was zu sagen hat. Und selbstverständlich wird ein formidabler Afternoon Tea serviert mit allem, was dazu gehört, sorgfältig zubereiteten Cucumber-Sandwiches, warmen Scones mit Clotted Cream und kleinen Törtchen. Victor Hugo fand auf Guernsey Zuflucht, als er 1855 vor Napoleon floh. 15 Jahre lang bewohnte er eine schneeweiße Villa inmitten eines tropischen Gartens, genannt Hauteville House, heute ein sehenswertes Museum.

Er schrieb dort eines seiner berühmtesten Werke „Les Miserables“. Seine Mätresse brachte er praktischerweise in einem bescheidenen Häuschen in Sichtweite unter. Der Weg zur Villa hoch am Hügel führt vorbei an der Church of St. Peter Port, die es ins Guinnessbuch der Rekorde geschafft hat als Kirche mit dem geringsten Abstand zu einem Pub, es sind exakt sechzig Zentimeter. Bei der Fahrt über die Insel säumen Häuschen aus grauem Granit die kurvenreichen Straßen, Bruchsteinmauern sind über und über bewachsen mit den zarten St.Peter Port Daisies, einer rosaroten Gänseblümchen-Art. Die kleinen Pfarrkirchen, jede der zehn Parishes hat ihre eigene, lohnen den Besuch. Alles ist ein wenig kleiner, vielleicht auch bescheidener als beim Nachbarn, mit dem man sich gerne ein wenig neckt. Daran erinnert augenzwinkernd eine Bronzeskulptur in St. Peter Port mit Eseln, das sind die Guernseyer und – noch weniger schmeichelhaft – Fröschen, so werden die südlichen Nachbarn genannt. Nach Westen hin fällt die Insel stark ab, Sandstrände locken Surfer und Kitesurfer. Uns lockt der Portelet Kiosk bei einem kleinen Fischerhafen, wo es das beste Crab Sandwich der Insel gibt. Das schmeckt doppelt gut, wenn man es mit Blick auf die dümpelnden  Fischerboote verspeist. Green Lanes, bestens markierte Wege, auf denen Fußgänger und Radfahrer Vorfahrt haben, verbinden die Sehenswürdigkeiten der Insel. Schmale Sträßchen winden sich zum Herrenhaus Sausmarez, das immer noch vom Eigentümer bewohnt ist, einem skurrilen Adligen und Kunstsammler. Seinen Park, der eher einem Dschungel gleicht mit meterhohen Bananenbäumen und wuchernden Rhododendren, hat er zu einem Skulpturenpark umgewandelt.

Im grünen Herz Guernseys steht ein weiteres fein renoviertes Herrenhaus. Es ist umgeben von Apfelbäumen in abgezirkelten Reihen auf sanft geschwungenen Hügeln. Bis zum Horizont dehnen sich die Apfelplantagen. Cider wird auf der Rocquette Farm produziert, in den unterschiedlichsten Geschmacksrichtungen. Apfelwein boomt, vor allem Briten lieben das herbe Getränk, ihr Pro-Kopf-Verbrauch ist weltweit am höchsten. Was für ein diffiziler Prozess die Produktion von Apfelwein ist, aus kleinen grünen Äpfeln, die für den Verzehr viel zu sauer wären, erklärt der Kellermeister bei einem Tasting – und warum Kühe und Schweine auf Guernsey so glücklich sind. Ihnen wird der vergorene Trester verfüttert, was sie sichtbar beschwipst werden lässt. Cider ist eines der Produkte, auf die man auf Guernsey stolz ist, Gin ein weiteres.  Zwei Brüder, Besitzer des Bella Luce, eines chicen Hotels im Inselinnern, entschlossen sich Gin zu brennen, weil ihnen kein anderer so richtig schmeckte. Der Trick dabei, für das spezielle Aroma verwenden sie Zutaten von der Insel, zum Beispiel Meerfenchel, der an der Küste wächst, experimentieren mit den unterschiedlichsten Gewürzen, wobei Wacholder die Hauptrolle spielt. Der Erfolg gibt ihnen recht, „Die Leute wollen eine Story, wollen wissen, woher ein Produkt kommt und wie es hergestellt wird“, so Luke. Nach kleinen Anfängen investierten sie in eine Destillieranlage aus Kupfer, die sie aus Deutschland bezogen. Kupfer mache den Brand weich, erklärt Luke. 1000 Flaschen werden momentan pro Jahr abgefüllt. In der Hotelbar schenkt er auch Brände von Mitbewerbern aus, zwischen 85 und 90 unterschiedliche Sorten.