Jersey

 

Jersey ist mit knapp 120 Quadratkilometern die größte der fünf Channel Islands mit exakt 77,3 km Küstenwegen, die beim alljährlichen Lauf im Juni von den Bewohnern und vielen Besuchern, die extra dafür auf die Insel kommen, umrundet werden.  Es ist fast eine Ehrensache, mit dabei zu sein, berichtet Kary Day, unser Guide, eine ehemalige Geographielehrerin. Gestartet wird jedes Jahr um die Mittsommerwende gleich um drei Uhr früh, angesteuert werden zwölf Checkpoints, damit niemand verloren geht.  Unsere kleine Küstenwanderung beginnen wir im Nordwesten, wo Klippen steil ins Meer abfallen. Rau ist die Landschaft, Wind zerzaust das Haar. Es kostet ein wenig Überwindung sich an den Rand der Klippen zu wagen, unten tost die Brandung, weiß schäumt die Gischt. Die Hänge sind bedeckt von Gras, Farn und Heidekraut. Spektakulär streckt sich Le Pinacle in die Höhe, ein markanter Felsenfinger, der vermutlich der Grund war, warum sich Menschen in prähistorischer Zeit in dieser unwirtlichen, wenngleich betörend schönen Gegend ansiedelten. Der Küstenweg entlang der Abbruchkante führt nach Grosnez Castle.

Die Ruinen der Burg aus dem 14. Jahrhundert stehen auf einer vorspringenden Klippe hoch über dem Meer. Die Luft ist klar, der Ausblick reicht über Guernsey mit den vorgelagerten kleinen Inseln Herm und Sark bis zu der am am weitesten nördlich gelegenen und rauesten Kanalinsel nach Alderney.  Bunker an der Küste sind mahnende Zeugen der Vergangenheit. Errichtet von den deutschen Besatzern während des Zweiten Weltkriegs als Teil des Atlantikwalls. Eine der Bunkeranlagen liegt im Westen direkt am Meer und ist das Reich von Sean Faulkner, Herr über die vielleicht besten Jersey Hummer und Austern. Frisches Meeresgetier, mit denen er die Restaurants auf der Insel versorgt und die man köstlich zubereitet direkt an derben Holztischen verspeisen kann.  Auf den schmalen Straßen wird langsam gefahren und Touristen, leicht am Kennzeichen zu erkennen, haben immer Vorfahrt, so Kary.

Jersey Kühe grasen auf den Weiden, zierliche Schönheiten mit feinen Zeichnungen, die eine besonders fettreiche Milch liefern. Die wird in der Jersey Molkerei verarbeitet, zu Jersey Käse, Eiscreme und einer sämig süßen Karamellsauce, bei der man jegliche Ernährungsvorschriften über Bord wirft. An der Grève de Lecq gibt es ein weit verzweigtes Höhlensystem, in dem Schmuggler ihre Beute versteckt hatten. Ein einträgliches Geschäft für die Küstenbewohner, bevor die Finanzhaie den Wohlstand brachten. Abhängig von der Tide, kann man die Höhlen mit dem Kayak erforschen. Dazu muss man wissen, dass Jersey nach Neufundland den höchsten Tidenhub weltweit hat. Mehr als zwölf Meter.  

Als wir ins hübsche Fischerstädtchen Gorey kommen, die Hafenbucht gesäumt von schmalen pastellfarbigen Häuschen über denen die Ehrfurcht einflößende Festung Mont Orgueil Castle thront, hat sich das Meer kilometerweit zurückgezogen. Am Horizont ist mitten im Flach des freigelegten Meeresbodens ein kleiner Turm auszumachen. Eine Rettungsstation, in die sich Wattwanderer flüchten können, die vom auflaufenden Wasser überrascht werden. Das passiert jedes Jahr mehrmals, berichtet Kary, Menschen unterschätzen die Gefahren, machen sich nicht klar, wie schnell der vermeintlich sichere Rückweg durch das von allen Seiten flutende Wasser abgeschnitten sein kann. In Gorey gibt es einen Bewohner, der mit dem Fernglas am Fenster liegt und die Küstenwache verständigt, sobald er die dort bereitliegenden Notfallsignale erblickt. In den hübschen bunt getünchten Häuschen am Hafen reihen sich kleine Restaurants mit Terrassen, von denen man das rege Treiben auf der Promenade beobachten kann. Bekannt für seine Austern ist das Sumas. Hier werden die edlen Muscheln auf vielfältige Arten zubereitet, ebenso die Meeresschneckenspezialität Ormer, die nur begrenzt gesammelt werden darf. Die Veranda ist verglast, bietet Schutz vor den heftigen Winden und gibt einen Traumblick frei aufs Meer und die Festung.

St. Helier im Süden ist Hauptort. Hier ballen sich die Bankenhäuser. Im Hafen legen die Fähren nach Frankreich und Guernsey an, die weiter ins südenglische Pool verkehren. St. Helier ist lebhaft, hat nette Geschäftsstraßen und eine Markthalle, in der fangfrischer Atlantikfisch verkauft wird. In den weiten sandigen Buchten im Süden von St. Aubin und St. Brelade verbreiten Ferienhotels und Strandrestaurants Ferienstimmung. Am Ende der St. Brelade’s Bay führt ein schmaler Küstenweg hoch über dem Meeressaum bis zum Leuchtturm ganz im Westen. Die Felsen sind mit dichtem Gestrüpp bewachsen, es duftet fast mediterran, es blüht, immer wieder eröffnen sich Ausblicke auf versteckte Buchten, die nur mit dem Boot erreichbar sind. Bei Ebbe kann man trockenen Fußes zum 1873 gebauten Leuchtturm La Corbière spazieren, eines der Wahrzeichen der Insel. Er war der erste Leuchtturm aus Beton, schützt Schiffe im besonders tückischen Gewässer. Wir sind im Westen angekommen, Surfer stürzen sich in die Brandung auf der Suche nach der perfekten Welle. Am breiten goldfarbenen Strand türmen sich die Algen. Sie werden getrocknet und im Herbst eingesammelt, damit sie den Royals ihren speziellen Geschmack verschaffen können.