Key West

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Conch Republic

New York mag mal wieder von Schneechaos heimgesucht werden, doch die Bewohner der Florida-Keys liegen in der Sonne. Die Nähe zu Kuba verleiht diesem Anhängsel von Florida karibisches Flair, macht es zu einer der Top-Destinationen vor allem im Winter. Wie Perlen reihen sich die Inseln der Florida-Keys an die Kette des Overseas Highway, der einen über 42 Brücken zur letzten Perle bringt, Key West. Hier versinkt die Sonne am schönsten, versammeln sich Abend für Abend Liebespaare und Genießer am Mallory Dock, wo sie sich der „Sunset Celebration“ hingeben, an 365 Tagen im Jahr, jeweils zwei Stunden vor bis zwei Stunden nach Sonnenuntergang (zumindest offiziell). Straßenkünstler, Musiker, Kunsthandwerk und natürlich unzählige Imbissstände und Cocktailbars machen die „Sunset Celebration“ zu einem der beliebtesten Bräuche in Nordamerika. Alleine dafür schon lohnt es sich die 205 km über den Overseas Highway zu fahren und die Insel mit lediglich 3,2 x 6,4 km und 27.000 Einwohnern, auch unter dem Namen „Conch Republic” (gesprochen Konk, übersetzt in etwa mit „Muschel Republik“) bekannt, zu besuchen. Überhaupt ist hier alles Conch. Conch-Häuser, kurz Conchs, Conch Train, auch die Einwohner von Key West sind Conch und nicht zu vergessen 1000 Souvenirs mit Conch…

Conch ist Kult – doch wie kam es dazu? Zunächst war es eine Art praktischer Witz, der zur Gründung der Conch Republic führte. Als die amerikanische Regierung im Frühjahr 1982 Grenzkontrollposten auf dem Overseas Highway stationierte, kam es zu derart massiven Verzögerungen und Staus, dass viele Urlauber ihre Aufenthalte stornierten. Nachdem die Klage der Stadt Key West, deren Einnahmen aus dem Tourismus deutlich einbrachen, abgewiesen worden war, erklärte Key West nicht nur seine Unabhängigkeit als Conch Republic, sondern im gleichen Atemzug den Vereinigten Staaten den Krieg – nur um eine Minute später zu kapitulieren und nun wiederum Entwicklungshilfe und Wiederaufbauzahlungen von den USA in Höhe von 1 Milliarde Dollar zu fordern. Die Kontrollposten wurden aufgegeben…

Ein prägendes Element in Key West sind die typischen Conch Houses, ein Architekturstil, der den frühen Einwanderern von den Bahamas zugeschrieben wird. Charakteristisch für diese ganz aus Holz und auf Stelzen gebauten Häuser ist die ausladende, über die gesamte Hausfront verlaufende Veranda, die Holzverkleidung, häufig noch mit Schindeln, die Zisterne für das Regenwasser und kleine Dachluken zur Belüftung. Die ursprünglichen Conchs sind mindestens hundert Jahre alt,  typische Farbe ist weiß und sie wurden von den im Schiffsbau versierten Einwanderern genau wie Schiffe in Holzfachwerk-Bauweise konstruiert. Einige der typischsten Beispiele findet man in der Old Town. Und nicht nur die Conch Houses, mit ihren in der Mittagshitze auf der Veranda dösenden Bewohnern haben sich trotz des Tourismus erhalten. Man findet noch Hinterhöfe mit wild wuchernden Kokospalmen, Ylang-Ylang und Jacaranda, verschlafene Sträßchen mit üppigen Bougainvilleen, wo Katzen beinahe ungestört ihr Fell in der Sonne aufheizen. Die Conchs sind überzeugt, im Paradies zu leben. Und man ist geneigt, ihnen zuzustimmen, trotz des allabendlichen vergnügungssüchtigen Partyvolks auf der Duval Street.

Für jeden ein Vergnügen ist es, in Key West Essen zu gehen. Da wäre der „Blue Heaven“, ein Biergarten mit alternativem Flair, das durch die bunte Mischung an Gartenmöbeln und die frei laufenden Hühner entsteht. Der „Blue Heaven“ punktet neben den leckeren Gerichten mit einem unglaublich freundlichen Service und dem hervorragenden Frühstück, das unter anderem Eggs Benedict auf Bagel und mit Hummerschwanz verfeinert bietet. Dazu ein Kaffee aus biologischem Anbau, den auch Europäer genießen werden. Nicht nur Touristen, die auf Hemingways Spuren wandeln landen irgendwann auf einen Cocktail in Sloppy Joe’s Bar, dessen Besitzer durch den ehemaligen Stammgast Hemingway ausgesorgt hat. Damals lag Sloppy Joe’s allerdings noch ein paar Häuser weiter, um die Ecke in der Greene Street. Dazu einen der deftigen Hamburger und man hat eine gute Grundlage für weitere Cocktails.

Eine weitere Tradition in Key West offenbart die Nähe zu Kuba (145km): Zigarren. Zur Blütezeit im 19. und frühen 20. Jahrhundert, als kubanische Einwanderer die Handwerkskunst des Zigarrenrollens nach Key West gebracht hatten, wurden in den örtlichen Fabriken zeitweise bis zu 100 Millionen Zigarren jährlich hergestellt, was Key West zur Zigarrenhauptstadt der Welt machte. Auch wenn man heute nur noch vereinzelt Zigarren aus eigener Herstellung in Key West findet (Ausnahmen wie z.B. der Rodriguez Cigar Factory sollte man unbedingt einen Besuch abstatten), so gibt es doch unzählige sehr gut sortierte Zigarrenläden in Key West und die Toleranz in den meisten Bars und Kneipen für Zigarren-Liebhaber ist für amerikanische Verhältnisse verblüffend. Die meisten Läden finden sich in der Gegend rund um Sloppy Joe’s und entlang der Duval Street. Man bummelt die Straße auf und ab oder mietet ein Fahrrad, was für die USA ebenfalls eher ungewöhnlich ist. Dabei kann man auch einige ungewöhnliche Schaufenster entdecken oder Läden wie Environmental Circus, in dem allerhand back-to-the-Sixties Accessoires zu haben sind. Mitbringsel und originelle Souvenirs findet man hier immer.

An Freizeitaktivitäten mangelt es ebenfalls nicht auf den „Keys“. Man kann aus zahlreichen Anbietern zum Hochseefischen (in der Regel als „angling“ bezeichnet) auswählen wobei Fliegenfischen zu den Spezialitäten gehört. Ebenso gehören natürlicherweise Schnorcheln und Tauchtouren zu den beliebtesten Aktivitäten auf den Keys. Das Highlight ist jedoch die bereits erwähnte Sunset Celebration, bei der Abend für Abend Feuerschlucker, Möchtegern-Matrosen, Jongleure, Drahtseil-Artisten, Bongotrommler oder Banjospieler die Sonne beim Untergehen begleiten. Nicht selten stehlen dabei die Künstler mit ihren Darbietungen dem Sonnenuntergang selbst die Show. Ist die Sonne dann versunken und der Abendhimmel noch für kurze Zeit in den unglaublichsten Farben erleuchtet, gibt es bisweilen lang anhaltenden Applaus von den Touristen. Vermutlich für beides: die atemberaubenden Darbietungen und den spektakulären Sonnenuntergang. Die Conchs selbst beobachten das Treiben mit beinahe kubanischer Gelassenheit. So ist es im Paradies eben.