Alles dreht sich um den RING
Es war das größte städtebauliche Projekt in der Geschichte Wiens, zu dem Kaiser Franz Joseph 1857 den Startschuss gab, als er anordnete, die Befestigungsanlagen rund um die Innenstadt zu schleifen und das Glacis genannte Gelände mit einem Prachtboulevard zu bebauen. Das ambitionierte Projekt wurde mit Rekordtempo aus dem Boden gestampft, schon acht Jahre später, am 1. Mai 1865, wurde die Eröffnung der Ringstraße gefeiert. Die erste planmäßige Stadterweiterung Wiens machte aus der kaiserlichen Residenzstadt eine moderne europäische Metropole. Grund genug für die Stadt Wien, das 150jährige Jubiläum mit einem Reigen von Veranstaltungen zu feiern. Und mehr als Grund genug, dieses Jahr an die Donau zu reisen.
Besucher können nicht weniger als die Essenz – alles, was Wien ausmacht – an der Ringstraße erleben: das imperiale Wien mit den Repräsentationsbauten, die sich wie Perlen an einer Kette entlang des Rings reihen: Burgtheater, Staatsoper, Kunsthistorisches und Naturhistorisches Museum. Das grüne Wien mit den bezaubernden Parkflächen, die zum Flanieren einladen. Das großbürgerliche, stark jüdisch geprägte Wien. Bankiers, Industrielle, Großkaufleute, die sich prächtig ausgestattete Wohnhäuser mit pompösen Fassaden an den Ring bauen ließen. Durch die planmäßige Anordnung der Gebäude, ihrer Öffnung nach innen, entstand ein großartiger öffentlicher Raum. Es wird spaziert, geradelt, gespielt, gejoggt. Man kann sich ausruhen, auf den Wiesen picknicken, sich im MAK, dem Museum für angewandte Kunst, und seinem vielgelobten Museumsshop inspirieren lassen. Der Ring wurde zum Showroom der führenden Architekten ihrer Zeit, die sich einen Wettstreit lieferten: Theophil E. Hansen, Gottfried Semper, Karl Freiherr von Hasenauer und Heinrich von Ferstel. Quasi im Vorbeigehen lassen sich die unterschiedlichen Ausprägungen des Historismus erleben. Das Burgtheater im Neobarock, das Rathaus im Stil der Neogotik, die Staatsoper im Neorenaissance-Stil. Ein wenig zurückversetzt steht Wiens erstes Monument der Moderne: Otto Wagners Postsparkasse, ein Gesamtkunstwerk, bei dem der berühmteste Architekt des österreichischen Jugendstils bis ins kleinste Detail alles selbst entworfen hat, vom Messingschild bis zu den Lampen, und Böden aus Glasbausteinen einziehen ließ, damit die darunterliegenden Büros vom Tageslicht erhellt wurden.
Wem der Weg zu lange wird, der steigt unterwegs in die Straßenbahn ein. Doch Vorsicht, seit die beiden Linien 1 und 2 den Ring nicht mehr umrunden, heißt es umsteigen. Oder besser noch, man kehrt in eines der Ringstraßen-Kaffeehäuser ein, das unvergleichliche Prückel mit seinem Retro-Charme oder das Landtmann, das älteste Kaffeehaus an der Ringstraße. Orte, an denen man zusammen mit einem kleinen Braunen nicht weniger als „Zeit und Raum“ erwirbt, wie es sich für ein echtes Wiener Kaffeehaus gehört. Man Zeitung liest, plaudert, seinen Gedanken nachhängt und der Besitzer sich „mit viel Geld viel Arbeit kauft“, wie es Wiens oberster Kaffeesieder Kommerzialrat Maximilian Platzer mit echt Wiener Schmäh formuliert, und „sich an 365 Tagen im Jahr die Arbeit selbst einteilen kann.“ Die herausgeputzten, liebevoll gepflegten Fiaker auf ihre Kundschaft warten, bevor es Hufe klappernd durchs Hofburgtor geht. Wo man beim Meindl in schönen Räumen feine Delikatessen kauft oder beim k.u.k Hofzuckerbäcker Demel die beste heiße Schokolade der Stadt trinkt. Sich der Wiener am Samstagvormittag gerne im Tirolerhut beim „Corso“, zeigt, wie die Schriftstellerin Eva Menasse in ihrem Ring-Straßen-Porträt schreibt, diesem bedächtigen, nach allen Seiten hin grüßenden Auf- und Abgehen, das sich aus der k.u.k. Zeit herübergerettet hat. Man beim Plachutta an der Oper ein dünnes Wiener Schnitzel isst, das selbstverständlich aus Kalbfleisch sein muss. Jenseits des Rings bewegt sich viel, gibt es Neues zu entdecken. Eröffnen hinter dem Museumsquartier im 7. Bezirk hippe Lokale und Läden, tobt sich die Kreativszene auf der Kettenbrückengasse und der Gumpendorfer Straße aus, lädt die Schleifmühlgasse zum Galerie-Hopping ein. Mit dem 2013 eröffneten Campus der Wirtschaftsuniversität beim Prater hat Wien wieder Architekturgeschichte geschrieben. Das Herzstück, das Library& Learning Center, ein atemberaubendes Manifest moderner Architektur, wurde von Zaha Hadid entworfen. Das weit auskragende Gebäude soll in seinem lichtdurchfluteten großdimensionierten Atrium mit den langen Rampen und Aufgängen das Motto allen Studierens versinnbild-lichen: Der Weg ist das Ziel.